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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:31.10.2000
Aktenzeichen:VK 5/00
Rechtsgrundlage:VwGG § 24
PfDG § 91 Abs. 1 Satz 1
PfBVO § 22 Abs. 3 Satz 2
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Anordnung der sofortigen Vollziehung, Vollziehung (sofortige), Wartestand, Versetzung (Wartestand), Rückzahlung von Bezügen, Bezüge
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Leitsatz:

Für den Erlass der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Versetzung einer Pfarrerin oder eines Pfarrers im Wartestand in den Ruhestand ergibt sich das erforderliche kirchliche Interesse daraus, dass die Versetzung in den Ruhestand nach Ablauf von drei Jahren Wartestandes ohne zwischenzeitliche auftragsweise Beschäftigung gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist.

Tenor:

Der Antrag wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Gegenstandswert wird auf 12.998,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Landeskirchenamt hat in seiner Sitzung am 7. März 2000 beschlossen:
„Pfarrer i.W. K. wird mit Ablauf des 31.03.2000 in den Ruhestand versetzt (§ 91 Abs. 1 PfDG.)“
Diesen Beschluss hat das Landeskirchenamt dem Antragsteller (Ast.) mit Schreiben vom 8. März 2000, zugestellt am 9. März 2000, mitgeteilt. Hiergegen hat der Ast. mit Schreiben vom 17. März 2000 Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.
In seiner Sitzung am 28. März 2000 hat das Landeskirchenamt folgenden weiteren Beschluss gefasst:
„Die sofortige Vollziehung der Versetzung von Pfarrer i.W. K. in den Ruhestand mit Ablauf des 31.03.2000 wird nachträglich angeordnet (§ 24 I 2 VwGG).“
Diesen Beschluss hat das Landeskirchenamt mit Schreiben vom 28. März 2000 gegen Empfangsbekenntnis am 29. März 2000 dem Antragsteller mitgeteilt. Die Begründung lautet:
„Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist angezeigt., da nach Abwägung des Interesses Ihres Mandanten an der aufschiebenden Wirkung des von ihm erhobenen Widerspruchs und dem Interesse der Evangelischen Kirchen von Westfalen (EKvW) an der sofortigen Vollziehbarkeit der unter dem 08.03.2000 verfügten Versetzung in den Ruhestand, das Interesse der, EKvW an der Aussetzung der aufschiebenden Wirkung überwiegt.
Denn im Falle des Eintritts der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs Ihres Mandanten würde eine Überzahlung eintreten, deren nachträgliche Rückerstattung nach Abschluss des Vorverfahrens oder eines möglicherweise angestrengten Klageverfahrens auch nicht im Interesse Ihres Mandanten liegen kann. Angesichts der eindeutigen Rechtslage könnte er sich im Falle einer Rückforderung eventueller überzahlter Versorgungsbezüge nicht darauf berufen, gem. § 23 Abs. 1 der Pfarrerbesoldungs- und versorgungsordnung (PfBVO) i.V.m. § 52 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) i.V.m. § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entreichert zu sein, weil er sich in diesem Fall den Einwand der Bösgläubigkeit i.S.v. § 819 BGB vorhalten lassen müsste. Ferner besteht auch ein großes Interesse daran, finanzielle Belastungen der Versorgungskasse nicht in dem zu erwartenden Umfang eintreten zu lassen.
Daneben ist die nachträgliche Anordnung der sofortigen Vollziehung auch gerechtfertigt, um Sinn und Zweck der Bestimmung des § 22 Abs. 3 S. 2 PfBVO nicht zu unterlaufen. Sonst würde es nämlich Ihrem Mandanten überlassen, diese gesetzliche Bestimmung, der zufolge Rechtsmittel gegen die Festsetzung von Versorgungsbezügen keine aufschiebende Wirkung entfalten sollen, durch seinen Widerspruch gegen die Ruhestandsversetzung de facto wirkungslos werden zu lassen.
Überdies ist die Versetzung Ihres Mandanten in den Ruhestand in Anbetracht der bestehenden Rechtslage offensichtlich rechtmäßig: in § 91 Abs. 1 S. 1 des Pfarrdienstgesetzes (PfDG) ist unmissverständlich geregelt worden, dass ein Pfarrer im Wartestand von dem Landeskirchenamt in den Ruhestand versetzt werden muss, wenn ihm bis zum Ablauf von drei Jahren nach Beginn des Wartestandes nicht erneut eine Pfarrstelle übertragen wurde. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum, der zugunsten Ihres Mandanten hätte ausgefüllt werden können.
Ihr Mandant wurde mit Ablauf des 31.03.1997 in den Wartestand versetzt. Diesbezüglich verweisen wir auf unsere Verfügung vom 24.02.1997, Az.: 3758/97/Pers. B., H. /Beih. A. Folglich beginnt in analoger Anwendung von § 187 Abs. 1 BGB die 3-Jahresfrist am 01.04.1997 und endet in analoger Anwendung von § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 31.03.2000.
Besondere Umstände, die ein Hinausschieben der 3-Jahresfrist hätten rechtfertigen können, liegen nicht vor.“
Der von dem Ast. mit Schreiben vom 31. März 2000 erhobene „Widerspruch“ wurde von der Antragsgegnerin (Agin.) als Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung umgedeutet und zuständigkeitshalber an die Verwaltungskammer weitergeleitet.
Der Ast. macht geltend, das Landeskirchenamt habe dem Ast. die feste Zusage erteilt, dass es sich nur um einen einjährigen Wartestand handeln würde und man dafür sorgen würde, dass der Ast. wieder eine pfarramtliche Verwendung finden würde. Dafür habe er stets zur Verfügung gestanden. Eine Übertragung einer Pfarrstelle habe ohne Verschulden des Ast. nicht stattgefunden. Somit lägen ausreichende Umstände vor, die kirchengesetzliche 3-Jahres-Frist für die Versetzung in den Ruhestand hinauszuschieben. In einem Gespräch am 13. Dezember 1996 sei dem Ast. zugesichert worden, ihn noch vor Ablauf des Wartestandes neu zu beschäftigen. Hierfür benenne er als Zeugen Herrn B., Herrn D., Frau W. und Frau L. .
Er beantragt sinngemäß,
die im Bescheid vom 28. März 2000 mitgeteilte Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner durch Beschluss des Landeskirchenamtes vom 7. März 2000 mit Wirkung vom 1. April 2000 angeordneten Versetzung in den Ruhestand aufzuheben.
Die Agin. beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Die Maßnahme, deren sofortige Vollziehung angeordnet worden sei, sei offenbar rechtmäßig. Der Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand ergebe sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 PfDG. Eine Verschiebung dieses Zeitpunktes durch Hemmung der gesetzlichen 3-Jahres-Frist sei nicht eingetreten, weil der Ast. während des Wartestandes nicht ausnahmsweise beschäftigt worden sei.
Im Übrigen nimmt die Agin. auf die Begründung in dem angefochtenen Verwaltungsakt vom 28. März 2000 Bezug.
Die Verwaltungskammer hat die Verwaltungsakten der Agin. beigezogen.
Gemäß § 24 Abs. 4 Satz 1 des Kirchengesetzes über die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit – Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGG) -hat der Vorsitzende zunächst allein entschieden, da es sich um eine ihrer Natur nach dringende Sache handelt. Er hat durch Beschluss vom 7. August 2000 den Antrag abgewiesen. Auf den Inhalt dieses Beschlusses wird Bezug genommen. Gegen diese Entscheidung hat der Ast. die Verwaltungskammer angerufen.
Er wiederholt seinen bisherigen Antrag und sein bisheriges Vorbringen und führt aus: Ein allgemeines Interesse reiche zur Begründung der Anordnung sofortiger Vollziehung nicht aus. Sie verlange ein darüber hinausgehendes, den Einzelfall betreffendes besonderes öffentliches Interesse (Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts). Ein solches besonderes Interesse sei hier nicht gegeben.
Die Begründung der Agin., dass ggf. eine Überzahlung eintreten würde, deren nachträgliche Rückerstattung auch nicht im Interesse des Ast. liegen könne, sei haltlos, denn es komme nicht auf ein fiktives Interesse des Ast. an. Objektive Anhaltspunkte für einen finanziellen Nachteil für die Agin. seien dagegen nicht zu erkennen. Sie hätte es in der Hand, ggf. eine Verrechnung mit Rentenansprüchen des Ast. vorzunehmen.
Die Behauptung, mit Einlegung des Widerspruchs würde die Bestimmung des § 22 PfBVO unterlaufen, gehe ebenfalls fehl. Der Gesetzgeber dürfte bei der Formulierung des § 22 PfBVO die Widerspruchsmöglichkeit gekannt haben. Wenn dem Ast. ein Widerspruchsrecht eingeräumt sei, könne er dies auch ausüben. Wenn der Gesetzgeber das Entfallen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht geregelt habe, so ergebe sich hieraus im Umkehrschluss, dass als Normalfall die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom Gesetzgeber gewollt sei.
Das Handeln der Agin. sei aber auch ermessensfehlerhaft und unzulässig, weil sie sich durch ihre Erklärung vom Dezember 1996 im Rahmen einer mündlichen Zusicherung gebunden habe. Sie hätte dem Ast. gemäß § 90 Abs. 2 PfDG eine andere kirchliche Tätigkeit übertragen müssen mit der Folge, dass der Lauf der Frist des § 91 Abs. 1 Satz 1 PfDG gehemmt sei. Die Agin. habe sich durch die Zusage einer Beschäftigungsmöglichkeit verpflichtet, die Frist des § 91 Abs. 1 Satz 1 PfDG nicht tatenlos abzuwarten.
Aus der Nichteinhaltung der Zusage erwüchsen dem Ast. gegenüber der Agin. Schadensersatzansprüche in Höhe der Differenz zwischen Ruhegehalt und Dienstbezügen. Vor diesem Hintergrund sei es bei Abwägung der Interessenlage im Interesse der Agin. geboten, die sofortige Vollziehung nicht anzuordnen.
Der Vorsitzende der Verwaltungskammer habe verkannt, dass für die Agin. sehr wohl Handlungsspielraum bestanden habe und sie aufgrund ihrer Zusage verpflichtet gewesen wäre, dem Ast. eine Auftragstätigkeit zu übertragen.

II.

Der Antrag ist unbegründet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 24 Abs. 1 VwGG durch die Agin. ist rechtmäßig und verletzt den Ast. nicht in seinen Rechten. Die Agin. hat sich zu Recht bewogen gesehen, den Suspensiveffekt des Widerspruchs des Ast. gegen eine Zurruhesetzung auszuschließen. Sie ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein besonderes kirchliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Versetzung des Ast. in den Ruhestand besteht und dieses Interesse das Interesse des Ast. an der Aufhebung der Vollziehung überwiegt. Entgegen der Auffassung des Ast. kommt es nicht auf ein besonderes öffentliches Interesse an, sondern auf ein besonderes kirchliches Interesse. Die Abwägung der Agin. lässt im Ergebnis keine zu beanstandenden Fehler erkennen, auch wenn ein Teil der Erwägungen die Anordnung nicht tragen kann. Die von der Verwaltungskammer insoweit auch selbst anzustellende eigene Abwägung nach § 24 Abs. 2 VwGG führt zu keinem anderen Ergebnis.
Nach den Kriterien der Dringlichkeit und Eilbedürftigkeit konnte die Agin. zu Recht davon ausgehen, dass die Anordnung sofortiger Vollziehung der Beurlaubung geboten ist. Für bestimmte Arten von Anordnungen ist das Erlassinteresse mit dem Vollzugsinteresse identisch. Die Gründe, die in diesen Fällen den Erlass rechtfertigen, fordern zugleich auch dessen sofortige Vollziehung (so für das staatliche Recht Schmidt bei Eyermann, VwGO, Kommentar, 10. Aufl. 1998, RdNr. 36 zu § 80 VwGO). So ist es auch bei einer: Versetzung in den Ruhestand, jedenfalls soweit sie nach Ablauf von 3 Jahren Wartenstands ohne zwischenzeitliche auftragsweise Beschäftigung in § 91 Abs. 1 PfDG zwingend vorgeschrieben ist und keinerlei Rechtsfehler bei der Zurruhesetzung erkennbar sind.
Die vom Ast. gegen die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung zum 1. April 2000 vorgetragenen Gründe sind im Ergebnis ohne Bedeutung für den Bestand der angefochtenen Anordnung. Das gilt sowohl für seine Arbeitsbereitschaft als auch für eine etwaige Zusage der Agin., für eine Beschäftigungsmöglichkeit zu sorgen. § 91 Abs. 1 PfDG gibt der Agin. auch in Ausnahmesituationen keinerlei Handlungsspielraum, sondern schreibt die Versetzung in den Ruhestand nach 3 Jahren Wartestand ohne jede Ausnahmemöglichkeit vor. Der Vernehmung der benannten Zeugen bedurfte es somit nicht, weil die als Beweisthema benannte Zusicherung für die Entscheidung unter keinem rechtlichen Aspekt beachtlich ist.
Eine Fehlerhaftigkeit des Handelns der Agin. ist auch nicht aus den weiteren vom Ast. vorgetragenen Gesichtspunkten abzuleiten. Der Hinweis der Agin. in dem Anordnungsschreiben vom 28. März 2000, dass eine nachträgliche Rückerstattung überzahlter Bezüge in Folge aufschiebender Wirkung des Widerspruchs „auch nicht im Interesse“ des Ast. liegen könne, ist keine die Anordnung sofortiger Vollziehung tragende Aussage, sondern eine Randbemerkung. Insofern gehen die Einwendungen des Ast. ins Leere.
Der Ast. hat zwar zutreffend gerügt, dass die Astin. die Anordnung sofortiger Vollziehung auch deshalb als gerechtfertigt angesehen hat, um zu verhindern, dass § 22 Abs. 3 Satz 2 PfBVO mit dem Wegfall von aufschiebender Wirkung bei Widerspruch oder Klage gegen Festsetzung von Versorgungsbezügen unterlaufen werde, weil es dem Ast, sonst überlassen sei, durch Widerspruch gegen die Ruhestandsversetzung mit aufschiebender Wirkung § 22 Abs. 3 Satz 2 PfBVO de facto wirkungslos werden zu lassen. In erweiternder Auslegung den Inhalt des § 22 Abs. 3 Satz 2 PfBVO auch auf solche Entscheidungen anzuwenden, die einer Ruhegehaltsfestsetzung vorangehen, würde die vom kirchlichen Gesetzgeber anderweitig geregelte Rechtsposition des Ast. ohne Rechtsgrundlage beseitigen. Die zutreffende Rüge des Ast. führt jedoch nicht zur Aufhebung der angefochtenen Anordnung, denn die oben unter II. eingangs erwähnten Gründe reichen zu ihrer Rechtfertigung aus.
Schließlich lässt es die Kammer dahinstehen, ob das von der Agin. erwähnte „große Interesse daran, finanzielle Belastungen der Versorgungskasse nicht in dem zu erwartenden Umfang eintreten zu lassen,“ ausreichen könnte, eine Anordnung sofortiger Vollziehung auszusprechen. Ein ausreichender Anordnungsgrund ergibt sich schon allein aus den unter II. eingangs genannten Gründen.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes mit der Hälfte des Gegenstandswertes des Hauptverfahrens in Höhe von 50.845 DM mit 25.422 DM = 12.998 Euro beruht auf § 69 VwGG.