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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:27.03.2001
Aktenzeichen:VK 3/00
Rechtsgrundlage:BVO NRW § 3 Abs. 2
GOÄ § 5
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Zahnärztliche Leistungen, Beihilfe, Schwellenwert
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Leitsatz:

  1. Ein Überschreiten der Regelspanne des 2,3-fachen bei zahnärztlicher Gebührenberechnung ist nicht deshalb gerechtfertig, weil der Patient unter Vollnarkose behandelt wird. Eine Vollnarkose erleichtert vielmehr die Behandlung.
  2. Keine Bedeutung für einen erhöhten Gebührenansatz hat auch das Vorliegen eines umfangreichen kariösen Defekts. Dieser schlägt sich vielmehr im Umfang der Füllungen und der Zahl der zu behandelnden Zähne nieder.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
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Tatbestand:

Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist streitig, ob die Beklagte (Bekl.) zu Recht den Ansatz des 3,5-fachen zahnärztlichen Gebührensatzes bei der Beihilfeberechnung verweigert hat.
Die beihilfeberechtigte Klägerin (Klin.) beantragte im November 1999 die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen u.a. für eine zahnärztliche Behandlung ihrer behinderten Tochter J.. Die eingereichte und von der Klin. bezahlte Rechnung des Zahnarztes schloss mit einem Gesamtbetrag von 1.773,52 DM ab. In dieser Rechnung waren mehrere Positionen enthalten, bei der der behandelnde Zahnarzt den 3,5-fachen Satz der Behandlungsgebühr angesetzt hatte und zwar
bei Zahn 84:
Nr. 233
„Maßnahmen bei Caries Profunda, umfangreicher kariöser Defekt, subgingivale Präparation und Blutung, erschwerte Retention, geringe Mundöffnung, Behandlung unter Vollnarkose“
Nr. 207
„Zweiflächige Füllung“
Begründung wie bei Nr. 233
Nr. 208
„Polieren, zweiflächig, Behandlung unter Vollnarkose“
bei Zahn 85:
Nr. 233:
„Maßnahmen bei Caries Profunda“
Begründung wie bei Zahn 84 Nr. 233
Nr. 209
„Dreiflächige Füllung“
Begründung wie bei Zahn 84 Nr. 233
bei Zahn 74:
Nr. 207
„Zweiflächige Füllung“
Begründung wie bei Zahn 84 Nr. 233
Nr. 208
„Polieren, zweiflächig“
Begründung wie bei Zahn 84 Nr. 208
bei Zahn 64:
Nr. 233
„Maßnahmen bei Caries Profunda“
Begründung wie bei Zahn 84 Nr. 233
Nr. 209
„Dreiflächige Füllung“
Begründung wie bei Zahn 84 Nr. 233
Nr. 233
„Maßnahmen bei Caries Profunda“
Begründung wie bei Zahn 84 Nr. 233
Nr. 207
„Zweiflächige Füllung“
Begründung wie bei Zahn 84 Nr. 233
bei Zähnen 52, 62:
Nr. 300
„Entfernung eines einwurzeligen Zahnes,
geringe Mundöffnung,
Behandlung unter Vollnarkose“
bei Zähnen 12, 22:
Nr. 326
„Freilegen eines Zahnes“
Begründung wie bei Zähnen 52, 62
bei Zahn 82:
Nr. 300
„Entfernung eines einwurzeligen Zahnes“
Begründung wie bei Zähnen 52, 62
bei Zahn 42:
Nr. 326
„Freilegen eines Zahnes“
Begründung wie bei Zähnen 52, 62
Die Bekl. erkannte die zahnärztliche Begründung für die Erhöhung des Gebührensatzes auf das 3,5-fache nicht an, beschränkte den Schwellenwert auf das 2,3-fache und legte der Beihilfenberechnung in dem angefochtenen Bescheid vom 13. Dezember 1999 nur einen Rechnungsbetrag von 1.282,43 DM zugrunde.
Die Klin. erhob gegen die Kürzung Widerspruch und legte zur Begründung eine Stellungnahme ihres Zahnarztes vor, die lautete:
„erhöhter Steigerungsfaktor,
Das routinemäßige Anzweifeln von Begründungen stellt nicht nur eine Diskriminierung des behandelnden Zahnarztes dar, sondern ist auch rechtswidrig OVG Bremen, 18.02.1986, Az.: OVG 2 BA 40/85, 7/86
Eine Übernahme der Angemessenheit eines ärztl. Gebührenanspruches nach den Kriterien des § 3 (2) BVO (Beihilfenverordnung) ist unzulässig: Notwendig aber auch ausreichend ist, dass der Arzt die nach § 5 (2) Satz 4 GOÄ erforderlichen Besonderheiten der Bemessungskriterien im Einzelfall so darlegt, dass sie dem Patienten – gegebenenfalls nach Erläuterung med. Fachbegriffe auf Verlangen – nachvollziehbar sind.“
Der Widerspruch blieb erfolglos. In dem Bescheid vom 21. Februar 2000 heißt es:
„Die Überschreitungen des Schwellenwertes durch Ihren Zahnarzt können ebenfalls keine Berücksichtigung finden, da die Begründungen, die Ihr Zahnarzt hierfür abgegeben hat, schon in verschiedenen Amts- und Verwaltungsgerichtsurteilen als nicht ausreichend abgelehnt wurden. Darüber hinaus hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17.02.1994, Az.: 2 C 10.92, festgestellt, dass die Überschreitung des Schwellenwertes „den Charakter einer Ausnahme“ haben muss. Gebühren bis zum Schwellenwert sind danach nicht nur für einfache oder höchstens durchschnittlich schwierige und aufwendige Behandlungsfälle, sondern für die große Mehrzahl aller Behandlungsfälle zur Verfügung gestellt und decken in diesem Rahmen die Mehrzahl der schwierigeren und aufwendigeren Behandlungsfälle ab. Berücksichtigt man, dass Ihr
Zahnarzt bei 11 von 25 Gebührenpositionen den Schwellenwert (2,3-fach) bis zum Höchstsatz (3,5-fach) überschritten hat, also in 44 % aller Positionen, kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Überschreitung den „Charakter einer Ausnahme“ hatte. Eine Berücksichtigung der hierdurch entstandenen Mehraufwendungen kann daher ebenfalls nicht erfolgen.“
Die Klin. verfolgt ihr Anliegen mit der Klage weiter. Sie macht geltend, dass die Behandlung ihrer Tochter J. in Zusammenschau mit ihrer Entwicklungs- und Krankengeschichte in mehrerlei Hinsicht den Charakter einer Ausnahme habe. Hierzu hat sie einen Bericht vom 6. April 2000 vorgelegt, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Ihre Tochter brauche anders als normale Kinder für zahnerhaltende und andere zahnärztliche Maßnahmen die Vollnarkose mit Intubation, was per se einen Mehraufwand bedeute. Die Behandlung unter Narkose bedürfe eines besonderen Zeitaufwandes. Zu berücksichtigen sei u.a. auch die 1 1/2-stündige Aufwachphase in Anschluss an die Zahnbehandlung.
Die Klin. beantragt,
  1. den Zahnarzt, Herrn Dr. H, , gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGG) zum Verfahren beizuladen und
  2. den Ablehnungsbescheid des Landeskirchenamtes vom 13. Dezember 1999 und seinen Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2000 aufzuheben und die Bekl. zu verpflichten, der Klin. antragsgemäß Beihilfe zu bewilligen.
Die Bekl. beantragt,
  1. den Beiladungsantrag abzulehnen und
  2. die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer ablehnenden Auffassung im Verwaltungsvorverfahren fest.
Im Einvernehmen mit der Klin. hat die Bekl. eine amtsärztliche Stellungnahme eingeholt, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.
Das Gericht hat ferner die den Streitfall betreffenden Verwaltungsakten beigezogen, auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage wird abgewiesen.
Die von der Klin. angegriffene Beihilfenberechnung lässt keine Fehler erkennen, die die Klin. in ihren Rechten verletzen würden. Insbesondere hat es die Bekl. zu Recht abgelehnt, der Beihilfenberechnung Aufwendungen für zahnärztliche Behandlungen zugrunde zu legen, die durch einen das 2,3-fache übersteigenden Ansatz verursacht sind. Das Überschreiten der Regelspanne des 2,3-fachen und der schematische Ansatz des 3,5-fachen ist durch nichts gerechtfertigt.
Soweit der Zahnarzt der Klin. den Ansatz des 3,5-fachen mit einer Behandlung unter Vollnarkose ohne weitere Begründungen zu rechtfertigen versucht, entbehrt dieser Rechtfertigungsversuch jeglicher Grundlage. Wie der Amtsarzt bestätigt hat, bewirkt die Vollnarkose im Gegensatz zu der Meinung des behandelnden Arztes durch Schmerzausschaltung, Reflexausschaltung und Muskelerschlaffung eine ungestörte zahnärztliche Behandlung auch bei den in der Person der behandelten Tochter liegenden Schwierigkeiten.
Ebenso wenig kann die Kammer nachvollziehen, dass eine nur geringe Mundöffnung vorgelegen haben soll. Wie der Amtsarzt ausgeführt hat, bewirkt die Vollnarkose gerade eine optimale Mundöffnung.
Für die als Besonderheit angeführte Blutung hat der behandelnde Arzt den Gebührentatbestand 203 angesetzt, der das Honorar für die Stillung einer übermäßigen Papillenblutung beinhaltet. Für den Ansatz des Maximalansatzes von 3,5 hat dies keinerlei Bedeutung.
Ebenso wenig ist als Grund für erhöhte Gebühren geeignet, dass ein umfangreicher kariöser Defekt vorgelegen hat. Dieser findet seinen Niederschlag im Umfang der Füllungen und der Vielzahl der zu behandelnden Zähne, hat aber nicht die geringste Bedeutung für einen erhöhten Gebührenansatz. Auch hier schließt sich die Kammer der amtsärztlichen Auffassung an.
Das gilt auch für die geltend gemachte subgingivale Präparation. Es rechnet zur normalen Behandlung ohne Besonderheit, dass Präparationen auch unterhalb des Zahnfleischsaumes vorzunehmen sind. Dem entspricht die amtsärztliche Stellungnahme.
Ob aufgrund der weiteren Beanstandungen der Rechnung durch den Amtsarzt eine weitere Reduzierung der Beihilfe gerechtfertigt gewesen wäre, kann dahinstehen. Denn nach dem Klagegegenstand hat sich die gerichtliche Prüfung auf die Frage zu beschränken, ob die Klin. einen höheren als den festgesetzten Beihilfebetrag beanspruchen kann.
Das Gericht hat davon abgesehen, gemäß § 28 VwGG den Zahnarzt beizuladen, der die Tochter der Klin. behandelt hat, denn dessen rechtliche Interessen werden durch die Entscheidung der Kammer nicht berührt. Das Verfahren vor der Verwaltungskammer ist ein innerkirchliches Verfahren, das zivilrechtliche Interessen des behandelnden Arztes gegenüber der Klin. oder umgekehrt nicht berührt. Es bleibt der Klin. unbenommen, höhere Gebührenansätze ihres Zahnarztes hinzunehmen oder anzugreifen. Hierfür wäre der Zivilrechtsweg vor den staatlichen Gerichten gegeben. Das Verfahren zur Gewährung einer Beihilfe ist hiervon unabhängig.
Das Gericht hat den behandelnden Zahnarzt auch nicht von Amtswegen als Zeugen geladen, da nicht ersichtlich ist, dass er über seine schriftliche Benennungen hinaus für eine Gebührenerhöhung relevante Gründe benennen könnte.
Die Kostentscheidung folgt aus § 66 Abs. 1 VwGG.